34/1 – KLIMARESILIENZ FÜR FLIESSGEWÄSSER WASSERKONTROVERSEN
Bayreuth (Roter Main Fluss-km 34). Betrachtet man das Netz aller Quell- und Zuflüsse des Mains, so machen kleinere Bäche den weitaus größten Anteil aller „Fließgewässer-Kilometer“ aus. Das Verbundprojekt „AquaKlif – Einfluss multipler Stressoren auf Fließgewässer im Klimawandel“ erforscht die Entwicklung der Bach-Oberläufe in Bayern. Gefördert werden die Arbeiten an den Universitäten Bayreuth, Erlangen-Nürnberg und der Technischen Universität München durch das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst im Rahmen des Bayerischen Klimaforschungsnetzwerks (bayklif). Durch systematische Versuche und Modellrechnungen erarbeiten die Forschenden Grundlagen zur Abschätzung, wo zukünftig Kipppunkte in Bächen zu erwarten sind und wie Managementmaßnahmen sinnvoll ansetzen können, um Fließgewässer im Klimawandel zu schützen. Dabei bestätigen die Ergebnisse einige der Ansätze, die in Wasser- und Landwirtschaft, Naturschutz und Politik bereits diskutiert werden.
Was gewinnt der Fluss Main aus der Forschung an seinen Oberläufen?
Thema Wassermenge: Lange bekannt ist, dass Hochwasser durch punktuelle Maßnahmen kaum in den Griff zu bekommen ist. Genauso hängt die Menge des Mainwassers in zukünftig trocken-heißeren Sommern – außer von Ausgleichsmaßnahmen aus dem Altmühl-Überleitungssystem – davon ab, welche Prioritäten wir in der Steuerung des Landschaftswasserhaushalts zukünftig setzen. Das gezielte Fördern von Regenrückhalt und -versickerung führt dazu, dass in Grundwasserspeichern sowie natürlichen Rückhalteflächen wie Mooren und Auen mehr Wasser vorhanden ist, so dass diese Speicher Bäche in trocken-heißen Zeiten länger speisen können. Diskutiert wird ein Paradigmenwechsel weg von der „Flurbereinigung“ hin zu kleinteiligeren Strukturen und bodenschützender Bewirtschaftung, um mehr Wasser in der (Agrar-)Landschaft zu halten und Bodenerosion zu vermeiden. Auf der anderen Seite: je mehr Regen rund um die tausenden Main-Zubringer zurückgehalten wird, statt geradewegs abzufließen, desto niedriger und flacher verlaufen Hochwasserwellen in Würzburg oder Wertheim. Ein die Extreme ausgleichender Landschafts-Wasserhaushalts gewinnt in der Klimakrise neue Brisanz – und hilft auch dabei, das Leben in Bächen und Flüssen zu schützen.
Thema Wasserqualität: Für die Fische im Main reicht es nicht aus, dass genügend Wasser vorhanden ist – auch die Qualität muss stimmen. Zu hohe Temperaturen, zu wenig Sauerstoff und zu viele Nährstoffe können zum Problem werden. Das Vermeiden von Erosion ist hier ganz zentral: Umso bodenbewahrender die Flächen im Einzugsgebiet bewirtschaftet werden und umso konsequenter Pufferzonen rund um Gräben und Bäche realisiert wurden, desto weniger Erosionsmaterial wird bei Starkniederschlägen bis in den Main geschwemmt. So wird die „Kinderstube“ von Fischen und vielen weiteren Wassertieren am Grunde von Bächen und Flüssen vor dem Verstopfen und Verkleistern durch Bodenmaterial geschützt. Wird Erosion vermieden, düngen Nährstoffe wie geplant Weizen, Kohl und Geste auf den Feldern statt das Algenwachstum in Gewässern.
Selbstreinigungskraft der Bäche: Die Kinderstube der Bachbewohner ist ein Forschungsschwerpunkt im AquaKlif-Projekt. In der sogenannten hyporheischen Zone am Gewässergrund stehen Bach- und Grundwasser im ständigen Austausch. Sie ist Lebensraum für Eier und Larven vieler Tiere, gleichzeitig finden hier unzählige verschiedene biogeochemische Umsätze gleichzeitig statt – genau darin besteht die Selbstreinigungskraft eines Baches. Fehlt im Bachwasser gelöster Sauerstoff oder verstopfen die Poren zum Austausch zwischen Bach- und Grundwasser, ist diese Kraft geschwächt. Gestärkt wird sie durch alle Maßnahmen, die Sediment- und Nährstoffeinträge in Bäche vermindern und mehr gelösten Sauerstoff im Bachwasser ermöglichen: Verrohrte und betonierte Bachabschnitte lassen sich wieder an Aue und Grundwasser anbinden, Fließstrecken verlängern, Staustrecken und Wasserstillstand verringern. Schattenspendende Bäume am Ufer senken lokal die Wassertemperatur, im kühleren Wasser kann sich mehr Sauerstoff lösen. Eine hohe Selbstreinigungskraft der Oberläufe verbessert indirekt auch die Wasserqualität im Main.
Synergien nutzen: Viele der für ein wärmeres und zu mehr Extremen neigendes Klima diskutierten Management-Ansätze bieten Synergien. Vom in der Fläche gedachten Hochwasserschutz profitiert der Naturschutz. Wer die Bodenfruchtbarkeit schützt, nützt Bach- und Grundwasser, da Nährstoffe besser im Boden gehalten werden. Renaturierte Moore binden sowohl Wasser als auch Kohlendioxid. Wir werden nicht verhindern, dass in Trockenperioden Quellen versiegen und kleinere Bäche trockenfallen, dass mit der Temperatur von Luft und Erde auch Bäche und Flüsse wärmer werden und die „Sauerstofflage“ für ihre Bewohner kritischer. Wo extreme Mengen Regen auf einmal fallen, sind Schäden unvermeidbar. Was wir tun können, ist durch viele kleine Maßnahmen in der Fläche den „Klimastress“ abpuffern, Wasserspeichermöglichkeiten und feucht-kühlere Refugien schaffen, Landschaften und Fließgewässer auf extremere Zeiten vorbereiten. Dazu wird es notwendig sein, sich zu vernetzen und über den Tellerrand von Disziplinen und Regionen hinaus zu schauen und zu wirken. Das Netzwerk Main ist hierfür ein gutes Beispiel.
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Text: Dr. Birgit Thies
Fotos: bayklif, Luisa Daxeder